Internationaler Eishockeyverband

Kanada spielt um Gold

Kanada spielt um Gold

Furioses Schlussdrittel dreht die Partie

Publiziert 20.05.2017 19:16 GMT+2 | Autor Jakob Nalik
Kanada spielt um Gold
Ryan O'Reilly (links) erzielte den Siegestreffer für die Kanadier. Foto: Andre Ringuette / HHOF-IIHF Images
Vor 16.469 Zuschauern in Köln zieht Kanada ins Finale am morgigen Sonntag ein nach dem Halbfinal-Sieg über Russland.

Eine unglaubliche Aufholjagd im Schlussdrittel hat Kanada den Finaleinzug bei der Eishockey-WM 2017 in Köln gesichert. Nach vier Toren im letzten Abschnitt gewannen die Nordamerikaner mit 4:2 (0:0, 0:2, 4:0) gegen den ewigen Rivalen Russland und spielen morgen um Gold. Die Sbornaja muss sich hingegen mit dem Spiel um Platz drei zufrieden geben.

Für Russland war der Klassiker gegen Kanada naturgemäß auch eine Chance zur Wiedergutmachung. Schließlich gewann ausgerechnet Kanada bei der russischen Heim-WM 2016 den Titel, nachdem die Nordamerikaner bereits 2015 Russland im Finale von Prag mit 6:1 deklassierten.

Vor dem Spiel am Samstag ließ sich kein klarer Favorit ausmachen. Während Russland sich in der Gruppe A nach der Niederlage im letzten Vorrundenspiel gegen die USA mit dem zweiten Platz zufrieden geben musste, holte sich Kanada in Gruppe B souverän den ersten Rang. Im Viertelfinale schlugen die Russen Tschechien souverän mit 3:0, Kanada gewann knapp, aber verdient, mit 2:1 gegen Gastgeber Deutschland. Ein möglicher Vorteil der Nordamerikaner: Die Sbornaja trug ihr Viertelfinale in Paris aus und hatte zusätzlichen Reisestress.

Das Spiel begann furios: Nach 12 Sekunden hatte Sean Couturier im Slot die Führung für Kanada auf dem Schläger, schoss aber knapp links vorbei. Auf der Gegenseite hatte Sergej Plotnikov nach anderthalb Minuten die Chance zum ersten Tor, brachte aber erst Versuch die Scheibe nicht unter Kontrolle und schoss dann vorbei. Nur Momente später brachte erneut Plotnikov die Scheibe vor das Tor, Vladimir Tkachyov kam am Torraum aber etwas zu spät.

Auch in der Folge ging es rauf und runter, die Russen glänzten mit ihrem berüchtigten Umschaltspiel, aber auch die Kanadier zeigten immer wieder starke Kombinationen. Beide Mannschaften scheiterten aber zunächst an den gut organisierten Abwehrreihen.

Hektisch wurde es vor dem kanadischen Tor dann in Minute zwölf, erst Ivan Telegin und dann Viktor Antipin spielten den Puck ins Getümmel vor Kanada-Goalie Pickard, der die Situation aber bereinigen konnte. Kanada zeigte sich zwei Minuten später wieder gefährlich, nach Pass von Calvin de Haan verpasste Nate MacKinnon am Torraum die Führung.

Nur eine Minute später gab es das erste Powerplay. Der Kanadier Mark Scheifele musste wegen Behinderung zwei Minuten runter. Die Russen, bei diesem Turnier bislang eine Macht im Überzahlspiel, erarbeiteten sich auch diesmal ihre Chancen. Vladimir Shipachyov, Artemi Panarin und Dmitri Orlov zielten aber allesamt zu ungenau.

Sekunden vor der Schlusssirene hätten die Nordamerikaner dann in Führung gehen können, aber Mike Matheson scheiterte am russischen Keeper Vasilevski, den Abpraller konnte Couturier nicht kontrollieren. Zur ersten Pause blieb es daher beim leistungsgerechten 0:0. Trotz fehlender Tore war es ein mitreißendes Spiel auf dem erwartet hohen Niveau.

Wie in Drittel eins hatte Kanada auch im zweiten Abschnitt schon in der ersten Minute die Chance zum Führungstreffer. Einen Schuss von Josh Morrisey wehrte Vasilevski nach vorne ab, machte sich dann aber ganz groß und verhinderte gegen den nachsetzenden Ryan O'Reilly den Gegentreffer. Kurz darauf gab es das zweite Überzahlspiel für Russland. Konecny musste wegen Behinderung runter. Die Kanadier standen aber erneut gut, nur Yevgeni Dadonov hatte aus zentraler Position die Möglichkeit zum ersten Treffer, aber Pickard rettete stark mit dem Schoner.

Kaum war das Powerplay abgelaufen, erhielten die Russen die nächste Gelegenheit wegen einer Bankstrafe gegen Kanada. Pickard hielt jedoch was zu halten war, Nikita Kucherov und Anton Belov scheiterten an Kanadas Torhüter.

Auch bei Fünf-gegen-Fünf wirkte die Sbornaja im Mitteldrittel gefährlicher, sah sich dann aber in der 28. Minute erstmals Mal dem kanadischen Powerplay gegenüber. Anton Belov bekam eine 2+10-Strafe wegen Checks gegen den Kopf. Nur Sekunden später gerieten Kiselevich und Scheifele aneinander, beide mussten ebenfalls für zwei Minuten raus. Aber auch Kanada konnte die Chance mit einem Mann mehr nicht nutzen und hatte sogar Glück, dass Pickard mit Ablauf der Strafe das Unentschieden festhielt.

In der 33. Minute hatte aber auch der kanadische Keeper keine Chance: Nach einer absoluten Traumkombination über Orlov, Kucherov und Panarin musste Shipachyov am Torraum nur noch einschieben. Die Führung für Team Russland war zu diesem Zeitpunkt völlig verdient.

Drei Minuten später hatten die Russen das nächste Powerplay, Wayne Simmonds saß wegen Stockschlags draußen. Eine Chance, die sich die Sbornaja diesmal nicht entgehen ließ. Shipachyov agierte diesmal als Vorbereiter, nach seinem Querpass hatte Gusev aus kurzer Distanz keine Mühe auf 2:0 zu erhöhen.

Nur wenige Augenblicke danach hätte Tkachyov sogar noch einen draufsetzen können, aber Pickard war zur Stelle. Zweieinhalb Minuten später hätte Namestnikov vom rechten Rand des Torraums nur noch einschieben müssen, aber Pickard hielt mit einer Weltklasse-Parade sein Team im Spiel.

Kanadas Chance zum Anschlusstreffer kam anderthalb Minuten vor Drittelende, Artyom Zub musste wegen Stockschlags auf die Strafbank. Nun durfte Andrei Vasilevski mal seine Fähigkeiten unter Beweis stellen: Claude Giroux, Jeff Skinner und zweimal Brayden Schenn verzweifelten am russischen Goalie, der seiner Mannschaft die Zwei-Tore-Führung in die Pause rettete.

Noch standen aber 31 Sekunden Powerplay für Kanada auf der Uhr und diese nutzten die Ahornblätter auch. Nach einer Hereingabe vom linken Bullykreis war Scheifele im Slot zur Stelle und markierte den Anschlusstreffer.

Nur eine Minute später gab es das nächste Überzahlspiel für Kanada. Belov musste wegen Crosschecks eine kleine Strafe absitzen. O'Reilly wäre beinahe eine Kopie des Anschlusstores gelungen, Vasilevski stand im Weg. Auch gegen Schenn und Skinner vereitelte Russlands Keeper das mögliche 2:2.

In der 45. Minute sorgte Pickard für eine Schrecksekunde bei den Kanadiern, als er außerhalb seines Kastens dem Gegner den Puck in den Schläger spielte, dann aber rechtzeitig zurück im Tor war, um gegen Kuznetsov zu parieren.

Kanada erhöhte nach dem Treffer von Scheifele den Druck merklich. Das mündete im nächsten Powerplay, Zub wurde wegen Beinstellens bestraft. Die beste Möglichkeit hatte O'Reilly, der aber nur das Außennetz traf. Team Russland wäre dann sogar beinahe der Shorthander gelungen, nach einer Zwei-auf-Eins-Situation brachte Tkachyov die Scheibe aber nicht auf das Tor.

Kaum war die Strafe von Zub abgelaufen, musste der nächste seiner Teamkollegen auf die Strafbank. Kuznetsov bekam die Strafe wegen Torwartbehinderung. Die Nordamerikaner agierten allerdings in den entscheidenden Situationen zu hektisch, Russland hielt die Führung vorerst.

Die Sbornaja setzte jetzt nur noch durch Konter Akzente, der Druck der Kanadier nahm zu. Das zahlte sich für die Nordamerikaner in der 56. Minute aus: Nach einem Pass von Konecny schien die Situation von einem russischen Verteidiger fast schon geklärt. Dieser bekam aber die Scheibe nicht weg und MacKinnon stocherte den Puck dem sichtlich verdutzten Torwart Vasilevski durch die Schoner.

Jetzt war der Knoten bei den Kanadiern geplatzt. Matheson spielte in Minute 57 von links O'Reilly frei, dessen erster Schuss erst noch geblockt wurde, im Nachschuss brachte der Stürmer seine Farben in Führung.

Anderthalb Minuten vor Ende nahmen die Russen eine Auszeit und kurz darauf den Torwart vom Feld. Eine Tormöglichkeit konnten sie sich dadurch jedoch nicht erspielen, stattdessen entschied Couturier kurz darauf per Empty Netter die Partie.

Die Auszeichnung als bester Spieler seines Teams wird für Russlands Vladislav Gavrikov ein schwacher Trost bleiben, genauso wie für seine Mitspieler Andrei Vasilevski, Anton Belov und Artemi Panarin, die als beste Spieler ihrer Mannschaft im Turnier geehrt wurden. Bei Kanada durfte sich Ryan O'Reilly als Spieler des Tages feiern lassen. Als beste Kanadier dieser WM wurden neben O'Reilly Mitch Marner und Mark Scheifele geehrt.

Kanadas Coach Jon Cooper war die Begeisterung nach dem Spiel anzusehen. „Das war eines der großartigsten Spiele, die ich als Trainer erlebt habe“, sagte Cooper auf der Pressekonferenz nach der Partie. „Das waren zwei sehr gute Mannschaften, beide Teams haben extrem hart gespielt.“ Als prägend für den Spielverlauf sah er die Strafzeiten für beide Teams. „Im zweiten Drittel haben wir all die Strafen bekommen, was die Luft aus unserem Spiel nahm. Im Schlussabschnitt war es dann andersherum.“

Sein Gegenüber Oleg Znarok gratulierte dem kanadischen Team und haderte mit dem Schicksal seiner Mannschaft: „Es war ein sehr gutes Spiel. Wir hatten einfach kein Glück.“ Die zusätzlichen Reisestrapazen durch das Viertelfinale in Paris sah er jedoch nicht als Faktor für die Niederlage. „Das war überhaupt kein Problem.“

Die Kanadier treffen nun am morgigen Sonntag um 20:45 Uhr auf den Sieger des Spiels Schweden gegen Finnland. Der Verlierer des zweiten Halbfinals trifft um 16:15 Uhr auf Russland.

 

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